Blogeintrag: Digitale Souveränität – Wem gehört unser Morgen?
Digitale Souveränität – ein Begriff, der gross klingt, aber oft hohl bleibt. Politiker nehmen ihn gern in den Mund, Konzerne auch. Aber was heisst das eigentlich: souverän sein im Digitalen?
Früher bedeutete Souveränität: Ein Staat entscheidet selber, was auf seinem Territorium passiert. Heute sind die Grenzen durchlässig – nicht nur für Menschen, sondern vor allem für Daten. Und plötzlich merken wir: Die Infrastruktur, auf der unsere Gesellschaft läuft – Server, Clouds, Betriebssysteme, KI – gehört nicht uns. Sie gehört US-amerikanischen Tech-Giganten oder chinesischen Konzernen. Und wir? Wir klicken „Ich stimme zu“ und hoffen auf das Beste.
Abhängigkeiten, die wir selbst gewählt haben
Wir sind Nutzer geworden, keine Gestalter. Unsere Schulen arbeiten mit US-Software, unsere Verwaltungen speichern Daten in Clouds, die irgendwo stehen – bloss nicht in Europa. Unsere Kommunikation läuft über Plattformen, deren Geschäftsmodell die Auswertung unserer Kommunikation ist.
Wir haben das mitgemacht. Bequemlichkeit schlägt Prinzipien. Gratis schlägt Kontrolle. Geschwindigkeit schlägt Sicherheit. Und so ist digitale Souveränität kein Zustand, sondern ein Defizit.
Was steht auf dem Spiel?
Es geht nicht nur um Datenschutz. Es geht um Selbstbestimmung. Wer entscheidet, welche Algorithmen in unserer Justiz, unserer Medizin, unserem Bildungswesen zum Einsatz kommen? Wer hat die Kontrolle über kritische Infrastruktur? Wer darf Fehler machen – und wer muss sie ausbaden?
Wenn wir uns diese Fragen nicht stellen, beantworten sie sich von selbst – durch Machtverhältnisse. Und Macht im Digitalen hat, wer die Systeme baut, nicht wer sie benutzt.
Was wäre zu tun?
Digitale Souveränität heisst nicht: alles selber machen. Aber es heisst: verstehen, was passiert. Infrastruktur diversifizieren. Open-Source-Lösungen fördern. Bildung, die nicht nur vermittelt, wie man Word benutzt, sondern wie digitale Systeme funktionieren – und wie man sie hinterfragt.
Es geht auch um Vertrauen. Und Vertrauen entsteht nicht durch Abhängigkeit, sondern durch Transparenz und Mitgestaltung.
Und wir?
Wir sind Teil des Problems. Aber wir könnten auch Teil der Lösung sein. Indem wir uns weniger verführen lassen. Indem wir nach Alternativen fragen. Indem wir aufhören, das Digitale als etwas Fremdes zu betrachten – als wäre es ein Naturereignis, das über uns kommt.
Und genau hier setzen wir bei reto.digital an. Für uns ist digitale Souveränität keine Floskel, sondern ein konkretes Ziel. Wir setzen wenn immer möglich auf Open-Source-Lösungen – nicht aus Prinzip, sondern weil sie Kontrolle ermöglichen, Anpassung erlauben und Abhängigkeiten reduzieren. Wir begleiten Organisationen bei der digitalen Transformation – nicht in Richtung neuer Abhängigkeiten, sondern in Richtung Eigenständigkeit.
Vielleicht ist digitale Souveränität am Ende weniger ein Zustand als eine Haltung: Nicht alles hinnehmen. Nicht alles glauben. Und dort, wo es geht, selbst entscheiden.